Der Bericht
Nachdem uns am vergangenen Montag das Wetter und die Zeit einen Strich durch unsere Rechnung gemacht hatten, gingen wir mit guter Hoffnung zu der heutigen Demonstration. Und wir hatten uns nicht getäuscht, schon vor Beginn waren etwa 300 Menschen anwesend.
Pünktlich um 18:00 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Wiederum zogen wir durch das Gründerzeitviertel zum Marienplatz. Im Laufe der Demonstration schlossen sich uns immer mehr Menschen an. Nach vorsichtigen Schätzungen waren etwa 1000 Menschen auf den Beinen.
Als wir auf dem Platz ankamen, war diesmal eine Lautsprecheranlage aufgebaut, die uns freundicherweise von der "Musik-Oase" zur Verfügung gestellt wurde. Also konnten wir unsere Forderungen diesmal lautstark verkünden. Dies wurde von den Demonstranten mit lautstarken Beifall bedankt.
Erfreulich war diesmal, das heute mehr Teilnehmer den Mut fanden, Ansprachen vor den versammelten Menschen zu halten.
Es sei zu hoffen, das sich an dem nächsten Montag wieder mehr Menschen an den Demonstrationen beteiligen.
Die Rede
Hartz IV ist der bislang größte Angriff auf die in langen Kämpfen von Generationen durchgesetzten Rechte und Errungenschaften der Lohnabhängigen (Anmerkung: Damit meinen wir auch die BezieherInnen von Lohnersatzleistungen). Noch nie in der bundesdeutschen Geschichte waren sich PolitikerInnen und Wirtschaftsbosse einiger als heute in dem Ziel, sich der ohnehin schon kläglichen Reste des so genannten Sozialstaats vollends zu entledigen. Ab 1. Januar 2005 wird eine halbe Million Langzeitarbeitsloser keine Leistungen mehr erhalten, und eine weitere knappe Million wird deutlich weniger Geld bekommen.
Die absehbaren Folgen werden sogar den bürgerlichen Medien klar. So schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Wer den Arbeitslosen die Unterstützung kürzt ohne Alternativen aufzuzeigen, vermindert nur ihr Einkommen. (...) Der Slogan : `Fördern und Fordern` verkommt zur Floskel" (SZ 13.07.2004) Massenhafte Arbeitslosigkeit gehört zum entwickelten kapitalisti-schen System wie Gestank zum Harzer Käse. Daran wird sich auch durch Hartz IV nichts ändern. Um die geschönte Statistik zu bemühen: 4,36 Mio. offiziell gemeldeten Arbeitssuchenden stehen gerade mal 300.000 offene Stellen gegenüber. Die Erwerbslosen unter Druck zu setzen hilft überhaupt nichts, wenn es keine Jobs gibt.
Doch das wissen die PolitikerInnen und ihre Strippenzieher in den Wirtschaftsverbänden genau. Ihr Ziel ist ein anderes: Die Lohnabhängigen in Angst und Schrecken zu halten, sie durch Druck zur scheinbar macht- und willenlosen Verfügungsmasse des Kapitals zu machen. Den EmpfängerInnen von Lohnersatzleistungen wird alles genommen. Sie werden mittellos gemacht und gezwungen, unterschiedslos jede Art von Arbeit anzunehmen. Tun sie das nicht werden ihnen die Bezüge gestrichen. Das nennt man dann Arbeitszwang. Die dafür gezahlten Löhne sind kriminell niedrig.
Doch nicht nur die Arbeitslosen werden unter Druck gesetzt: Die Angst um den Arbeitsplatz wird auch die Menschen gefügig machen, die noch in Lohn und Brot stehen. Das Diktat der Wirtschaft soll die gesamte Gesellschaft beherrschen. Keine Umverteilung ohne Nutznießer: Die, die ohnehin schon viel haben, werden im Zuge der Zerschlagung des Sozialstaats immer reicher. Die Geschwindigkeit der Umverteilung hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen – und das unter einer „sozi-al"demokratischen Regierung. Das ist das Neue: Die Massenarmut kann nun auch den sogenannten Mittelstand treffen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Dass die KapitalbesitzerInnen und Profiteure freiwillig nichts hergeben besagt schon der gesunde Menschenverstand. Heute vernebeln Standorterpressung wie im Frühsommer bei Siemens und Kostenargumente und diese Binsenweisheit. Dabei fahren die deutschen Konzerne derzeit Gewinne ein wie lange nicht mehr. Betrachtet man die Geschichte, dann ist man verblüfft, wie sehr die heutigen Argumentationsmuster der Bosse und ihrer ParlamentsvertreterInnen denen in der Vergangenheit ähneln. Schon im 19. Jahr hundert wurden die Verwehrung von Arbeiterrechten, Ausbeutung, Hungerlöhne und unmenschliche Arbeitszeiten mit dem internationalen Konkurrenzdruck gerechtfertig. Daher gilt ein für alle Mal: Wir dürfen uns von den PseudoArgumenten der Herrschenden nicht blenden lassen. Es sind die Lohnabhängigen, die mit ihrer Arbeit den gesellschaftlichen Reichtum schaffen – und davon nur einen Bruchteil erhalten. Sich der eigenen Stärke bewusst zu werden heißt sich das zu nehmen, was einem ohnehin gehört. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind eine Machtfrage. Freiwillig wird uns nichts gegeben – wir müssen es uns erkämpfen! Und der DGB? Uns geht es nicht darum, die Menschen an der Gewerkschaftsbasis zu diskriminieren. Sie sind oftmals diejenigen, die engagiert für soziale Rechte kämpfen. Doch die etablierten Gewerkschaften sind ebenfalls Teil des Problems. Zu tief sind ihre abgehobenen und üppig alimentierten FunktionärInnen ind den DGB-SPD-Filz verstrickt. Die Häuptlinge der DGB-Einzelgewerkschaften haben es seit jeher zu ihrer Aufgabe gemacht, kämpferische Proteste der Belegschaften zu dominieren, abzuwürgen und in systemkonforme Bahnen zu lenken. Die Initiative der Menschen an der Basis wird unterdrückt, sobald es ernst wird. Sparen wir uns also diese „Arbeitnehmervertreter", sparen wir uns PolitikerInnen, und „Interessenvetreter", die doch immer nur ihr eigenes Süppchen kochen! Sparen wir uns diese Regierung. Weg mit Hartz IV.
Einige Bilder
Weiteres
- Am 6. September 2004 tritt Gregor Gysi in Magdeburg auf. Zuvor hatte es dort Streitigkeiten gegeben, da die Teilnahme von rechten Demonstranten mißbilligt wurde. Oskar Lafontaine tritt in Leipzig auf.