27. Montagsdemonstration

14. Februar 2005


Der Bericht

Die Demo um 17:00 Uhr

Wie in der Vorwoche fanden sich etwa 16 Leute vor dem Bahnhof ein, um das fünfte mal eine zweite Demonstration gegen Hartz IV durchzuführen.

Der Zug setzte sich erneut mit fünf Minuten Verspätung in Bewegung.

Bei der Kundgebung dieser Demo waren wieder etwa 30 Menschen anwesend. Die Reden bei dieser Kundgebung waren durchsetzt von haltlosen Anschuldigungen gegen die 18:00-Uhr-Demo, diese wäre durchsetzt von rechtsextremen Kräften. Es wurde wiederum mehrfach behauptet, diese Demo wäre fest in der Hand der NPD.

Die Demo um 18:00 Uhr

Auf der wahren Görlitzer Montagsdemo -Das Original- fanden sich pünktlich um 18:00 Uhr leider weniger Demonstranten als in der Vorwoche vor dem Arbeitsamt in Görlitz ein. Doch trotzdem, bevor wir uns in Bewegung gesetzt hatten, waren mehr Demonstranten anwesend, als bei der Demo um 17:00 Uhr.

Dieses mal wurde unsere Montagsdemo -Das Original- besonders hervorragend durch die Polizei abgesichert, um jede Störung des Zuges zu verhindern. Dafür sprechen die Organisatoren der Polizei ihren besonderen und herzlichen Dank aus.

Im Laufe der Demonstration gesellten sich immer mehr Menschen zu unserem Zug.

Dieses mal wurde die Streckenführung der Demo geändert. Wir zogen, wie auch bundesweit, am SPD-Büro vorbei und hielten dort an. Diese Aktion war vorher bei den SPD-Politikern angekündigt worden. Leider war von den SPD-Politikern niemand anwesend, der auf unsere Fragen in Hinsicht auf die Politik der SPD-Regierung hätte antworten können.

Der Ablauf der Demo war, wie immer, friedlich, es kam zu keinen Ausschreitungen, da sich die Demonstranten an Recht und Gesetz hielten. Am Ende waren etwa 130 Menschen anwesend.

Wiederum wurden die Demonstranten mit lauter Musik auf dem Marienplatz empfangen. Eigends für unsere Montagsdemo -Das Original- wurde eine eigene Demonstrationshymne komponiert, die auf dieser Kundgebung abgespielt wurde.

Besonders erfreulich war, das dieses mal mehr Menschen die Möglichkeit ergriffen, das Wort zu ergreifen.

Zum Abschluss der Kundgebung wurde eine Gedenkminute eingelegt, um den Opfern des verheerenden Bombenangriffes auf Dresden vor 60 Jahren zu gedenken. Auf dem Marienplatz herrschte Totenstille, alle Demonstranten kamen dieser Bitte nach.

Wir, unsere Demonstranten, werden uns auf alle Fälle am nächsten Montag vor dem Arbeitsamt treffen, um gegen Hartz IV zu demonstrieren.

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Die Rede

Liebe Bürgerinnen und Bürger !

Wir möchten Euch danken, das Ihr wieder zu unserer Montagsdemonstration erschienen seid.

Da unsere Demonstration vor der SPD-Zentrale leider erfolglos verlaufen ist, da dort keiner da war, möchte ich Euch die Fragen vorlesen, die wir der SPD gestellt hätten.

Ist Hartz IV Sozialpolitik, wie es Ihre Partei in ihrem Parteinamen versteht und wie es das Volk verdient, welches besonders hier in Görlitz arbeiten will, aber nicht kann, weil keine Arbeitsplätze da sind?

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Ist ihnen wohl dabei, wenn Ihre Partei über 8 Mill. Menschen ins Abseits, ja in den Abfall schieben? Die Arbeitslosen im Osten Deutschlands und auch hier in Görlitz haben ihre Arbeitslosigkeit bestimmt nicht selbst zu verantworten gehabt, sie wurden nach der Wende einfach abgewickelt, ohne, das sie gefragt wurden. Und man hat uns bis heute auch nicht gefragt, ob wir Hartz IV wollen.

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Hält Ihre Partei so ihr Wort, von der Halbierung der Arbeitslosenzahl, damals zur Wahl 1998 ? Da waren es ca.3,5 Mill. Arbeitslose.

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Werden Sie und Ihre Partei im Bundestag und im Bundesrat, sowie allen Verwaltungen des Staates ebenso sparen, z.B. bei den Diäten, um Deutschland zu entschulden?

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Ist 1 € ein gerechter Arbeitslohn für sie, oder bedroht dieser Sklavenlohn nicht noch den ersten Arbeitsmarkt?

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Wie rechtfertigt Ihre Partei den Raub des Kindergeldes, den es ist bei der ALG II-Berechnung voll zu berechnendes Einkommen?

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Wie rechtfertigt Ihre Partei die Zerschlagung der Familie durch die Einführung der Bedarfsgemeinschaft?

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Wie rechtfertigt Ihre Partei die Einführung von Studiengebühren? Fördern ihre Maßnahmen eine bessere Zukunft für die Kinder in Deutschland, oder ist Bildung und Studium nur noch den Reichen vorbehalten? Glauben Sie, das durch diese Maßnahmen die Familien mehr Kinder in Deutschland hervorbringen werden?
Vergessen sie nicht, das Familien die kleinsten Zellen der Gesellschaft sind und ohne diese gibt es später auch keine Verbraucher und Konsumenten, Politiker, Arbeiter, Ärzte... .

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

Wie wollen sie Görlitz und Sachsen voranbringen?

Diese Frage ist uns die SPD schuldig geblieben !

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Einige Bilder

Die "originale" Montagsdemonstration um 18:00 Uhr

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Reaktion auf OSTSACHSENINFOS

görlitz: rechtsextremismus. mit biederer miene werben montagsdemonstranten für die npd. was tun?

Gabi Eichner wird nicht müde, es zu wiederholen: Die 18-Uhr-Montagsdemo gegen Hartz IV werde von Rechtsextremisten organisiert und werde als Plattform für die NPD missbraucht. Die engagierte Gewerkschafterin gehört zur Gruppe „Soziale Gerechtigkeit“, die sich deswegen vom Vorbereitungskreis der Montagsdemo losgesagt und eine alternative Demo organisiert, jeweils eine Stunde früher.
Gabi Eichner spricht schnell und ein wenig aufgeregt, wenn sie vom „Schwarzen Block“ spricht, der bei der Montagsdemo mitlaufe und dabei schon mal Passanten von außerhalb verschrecke. Und sie hat das Gefühl, dass in Görlitz das Thema öffentlich geleugnet und totgeschwiegen werde. Vielleicht, um die Kulturhauptstadt-Bewerbung nicht zu gefährden? Den im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppen wirft sie vor, ihre Arbeit gegen Rechts nicht zu unterstützen. Nur die PDS stellt ihr Kopierer und Telefon zur Verfügung.

In der Tat tun sich die Fraktionen noch schwer, die angeblich rechte Demonstration klar einzuordnen. Immerhin war vorgestern vom „schwarzen Block“ nichts zu sehen. Allerdings bekannte sich, wie berichtet, ein Redner nach einem durchaus unverdächtigen und gewitzten Beitrag dazu, im Herbst 2006 wohl die NPD zu wählen – Applaus von fast allen der etwa 150 Teilnehmer. Ein anderer Redner betonte, dass „Hunderte von Görlitzern“ am Sonntag bei den 5 000 Demonstranten in Dresden gewesen seien, die allgemein als „rechts“ eingestuft wurden. Offizieller Kommentar der Stadtverwaltung gestern: „Aus Sicht der Versammlungsbehörde gab es keine Vorkommnisse.“ Zu weiter gehenden Äußerungen war Ordnungsbürgermeister Stefan Holthaus (SPD) gestern nicht bereit.

Dieses Schweigen ist hingegen nicht die Strategie seines Parteivorsitzenden Peter Wirth, der auch die SPD-Fraktion im Stadtrat leitet. „Die rechte Gefahr kann in Görlitz gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.“ Dabei bezeichnet er es als „besonders perfide“, dass die Rechtsextremisten ihr abschreckendes Gewand mehr und mehr ablegen und durchaus mit unterschwelligen Botschaften, etwa Flugblättern versuchen, in der so genannten Mitte der Gesellschaft zu fischen. „Wir haben im bürgerlichen Umfeld in Görlitz viele geistige Mittäter“, sagt Wirth. In vielen Köpfen gebe es fremdenfeindliche Vorbehalte und eine Sehnsucht „zurück zu autoritären Strukturen“.

Wirth warnte im Gespräch mit der SZ auch andere Fraktionen davor, Stimmungen zu bedienen, die den Rechten in die Hände spielen. Die Anti-Parteien-Stimmung nannte er als Beispiel. Hier seien auch die „Bürger für Görlitz“ dabei, eine gefährliche Strategie zu fahren. Denn auch sie vermittelten ein Bild von den „etablierten Parteien“, die in erster Linie auf Machterhalt bedacht seien.

Der Pressesprecher der „Bürger“, Mike Altmann, sieht seinen Verein allerdings mittlerweile selbst mit dem politischen Establishment identifiziert – immerhin sind die „Bürger“ seit der Kommunalwahl im Juni 2004 stärkste politische Kraft. Auch Altmann sieht die Tendenz, dass der Boden für rechtsradikale oder rechtsextreme Gedanken „nicht vor der Mitte der Gesellschaft Halt macht“. Eine Debatte darüber im Stadtrat – wie von Gabi Eichner gefordert – hält Altmann allerdings für „aufgesetzt“. Aufgabe der Stadtpolitiker sei es, den Menschen klare Perspektiven für ihre Stadt aufzuzeigen. Dazu gehöre es auch, die wirtschaftlichen Effekte der Kulturhauptstadt-Bewerbung klarzumachen.

CDU-Fraktionschef Michael Hannich ist dagegen, die rund 150 Demonstranten zu ignorieren. Die Stadtpolitik müsse alles daran setzen, die sozialen Härten für Alg II-Empfänger zu mindern. Es sei wichtig, in Görlitz stärker über soziale Themen zu diskutieren. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer warnt davor, die NPD als normale Protestpartei zu werten. „Das sind großteils Neonazis, die nicht nur die Vergangenheit verharmlosen, sondern genau zu jener Vergangenheit zurück wollen. Das löst keine Probleme, sondern das schafft Riesenprobleme.“



Total normal

Rechtsextremismus war in den vergangenen Jahren selten ein Thema in Görlitz. Das heißt freilich nicht, dass es diesen Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren nicht gab. Möglicherweise ließ er sich nur gut leugnen, weil er selten fratzenhaft in der Öffentlichkeit erschien.

Nun stehen wir vor einer Situation, die zu denken gibt. 150 scheinbar ziemlich normale Leute klatschen Beifall, wenn einer ankündigt, die NPD zu wählen. 150 scheinbar normale Leute finden es auch ganz normal, dass sich einer rühmt, mit „Hunderten“ von Görlitzern bei den 5 000 rechtsradikalen Demonstranten in Dresden gewesen zu sein (angeblich alles ganz normale Leute, die nur ihrer Betroffenheit über das Unrecht der Bombenangriffen auf Dresden Ausdruck verleihen wollten).

Diese Normalität ist viel gefährlicher als die bekannten abstoßenden Fratzen mit Glatzen. Der Frust über die Sozialreformen ist offenbar für Rechtsradikale und Extremisten ein willkommener Hebel, ihre demokratiefeindliche und rassistische Ideologie bis weit in die so genannte „Mitte“ zu streuen.


SÄCHSISCHE ZEITUNG (GÖRLITZ), MITTWOCH, 16. FEBRUAR 2005, VON FRANK SEIBEL // PUBLISHED AT 17.02.2005 - 00:45:39

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